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Was Sie wissen müssen, bevor Sie Software-Lizenzen kaufen

Geschrieben von Dr. Meinhard Erben | Dec 29, 2020 1:45:50 PM

Der Einkauf von Software ist nach wie vor komplex, auch wenn IT-Leistungen mittlerweile zum Alltag gehören und kaum noch etwas ohne IT funktioniert. Regelungen sind wichtig, schon, um Streit zu vermeiden. Sie sind unverzichtbar, wenn es ungeachtet dessen zum Streit kommt. Ist das Projekt einmal in die Schieflage geraten, ist jeder Aufwand, den man vorher in vernünftige und realitätskonforme Vertragsgestaltung investiert hat, gut investierter Aufwand. Außerdem sind vertragliche Vereinbarungen nützlich, um den Erfolg des IT-Projektvertrags zu fördern.

Beim Einkauf von Software geht es nicht darum, möglichst viel zu regeln, sondern darum, dass das, was geregelt wird, möglichst vollständig geregelt wird. In diesem Artikel stellen wir die zwingend notwendigen Regelungen im Überblick dar und geben Tipps für vertragliche Formulierungen. Ebenfalls wichtig ist für den Anwender aber auch die Auswahl eines seriösen und erfahrenen Lieferanten. Wer mit einem seriösen erfahrenen Lieferanten die Leistungen im Vertrag einigermaßen detailliert unter Beachtung der nachstehend aufgeführten Punkte regelt, hat das Wesentliche an Absicherung bereits getan.

Dieser Artikel wurde von unseren Kooperationspartner Dr.Meinhard Erben erstellt. Dr. Erben ist Management Partner bei Kanzlei Dr. Erben Rechtsanwälte und berät seit mehr als 20 JahrenSoftwareanwender im Wirtschaftsrecht, insbesondere im IT-Vertragsrecht und Cloud Computing. Dr. Erben ist Dozent und Herausgeber mehrer Bücher zum Thema IT-Vertragsrecht

 

Vertragsvorbereitungen

Zunächst gilt es, die Aufgabenstellung möglichst konkret abzufassen. Dafür ist häufig externe Beratung sinnvoll. Der Anwender muss aber keine Beschreibung von Funktionalitäten der Software liefern, sondern nur Anwendungsanforderungen beschreiben. Die Umsetzung der Anwendungsanforderungen in der Software liegt dann beim Lieferanten. Wenn man intern bzw. mit externer Beratung soweit ist, dass man ziemlich genau weiß, was man an Leistung überhaupt benötigt, empfiehlt es sich, verschiedene Lieferanten zur Abgabe eines Angebots aufzufordern (s. Entwurf Anschreiben). Anschließend werden die eingehenden Angebote beurteilt. Sinnvollerweise hat man sich bereits vorher ein Konzept erstellt, nach dem die verschiedenen Kriterien gewichtet werden. Denn was man nicht deutlich abgefragt hat, kann man später in der Regel auch nicht vernünftig bewerten. Als Beurteilungskriterien kommen insbesondere in Betracht: Preis, Erfüllung der vorgegebenen Qualitätsmerkmale, erforderliche Mitwirkung des Anwenders unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Preis, Terminplanung, fachliche Kenntnisse, IT-Kenntnisse der eigenen Abteilungen, Erfahrungen auf ähnlichen G bieten, ähnliche IT-Projekte mit anderen Kunden, Erfahrungen mit dem Anbieter, Mitarbeiterprofile des Anbieters.

Für die Prüfung der Angebote ist ausreichend Zeit einzuplanen. Bis Angebote eingehen und bis diese vergleichsfähig gemacht worden sind, vergeht erfahrungsgemäß wesentlich mehr Zeit als erwartet. Im Rahmen der Bewertung sollte dann zunächst eine Vorauswahl danach erfolgen, ob alle K.O.-Kriterien erfüllt sind. Es wird empfohlen, das Thema langjährige Pflege der Software als K.O.-Kriterium zu definieren, denn im Laufe des Einsatzes der Software gibt der Anwender für deren Pflege erheblich mehr  an Geld aus als für deren Erwerb. Also sollte er sich vorher absichern, ob und zu welchen Bedingungen die Pflege zu erbringen ist. Bis zur Endauswahl sollten sämtliche Dokumente zum Vertragsentwurf fortgeschrieben werden. Dann müssen später nur noch die Ergebnisse der Schlussverhandlungen in die einzelnen Teildokumente eingearbeitet werden. Schließlich kann der Vertrag unterzeichnet werden.

 

KOSTENLOSE VORLAGE Dieses Anschreiben gibt es auch als kostenlose Word-Vorlage + Checkliste

Vertragsmanagement – Muster Anschreiben & Checkliste

 

 

Anschreiben an vorausgewählte IT-Lieferanten (Software Lizenzanbieter/Softwarehäuser)

Schon bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe soll die Aufgabenstellung möglichst detailliert abgefasst werden. Im Übrigen kann wie folgt formuliert werden:

(Musteranschreiben)

Betr.: Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Erstellung einer Software für ANWENDER 

Anlagen:

  1. Vertragsentwurf
  2. Pflichtenheft
  3. Leistungsschein 
  4. Fragenkatalog
  5. Hinweise zur Erstellung des Angebots

Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, eine Software zur BESCHREIBUNG erstellen zu lassen. Die Software soll [...] .  Einzelheiten ergeben sich aus dem als Anlage 2 beigefügten Pflichtenheft.

 

Wir werden ... (= Beschreibung der Beteiligung des Anwenders am Herbeiführen des Ziels). 2. […] Ihr Angebot soll bestehen aus: 

– dem von Ihnen ergänzten Leistungsschein gemäß Anlage 3. Der geschätzte Aufwand ist in  Arbeitstagen für jeden Gliederungspunkt anzugeben Er ist nicht als Leistungspflicht verbindlich, sondern soll Aufschluss über die Intensität der Bearbeitung geben; 

– dem Lösungsvorschlag. Sie können darin darstellen, wie Sie die Anforderungen erfüllen wer den. Die Gliederung des Pflichtenheftes ist soweit wie möglich einzuhalten. Sie werden gebeten, Ihre Vorgehensweise möglichst zu verdeutlichen, insb. den für die einzelnen Punkte geplanten Lösungsweg darzulegen. Sie werden weiter gebeten anzugeben, auf welche eigenen  Vorarbeiten Sie zurückgreifen können. Im Zeit- und Arbeitsplan ist unter Berücksichtigung der  Vorgaben darzustellen wie die Projektabwicklung im Hinblick auf Personaleinsatz, Termine,  Zusammenarbeit mit uns, usw. Ihrerseits vorgesehen ist; dies gilt sowohl für Installationen einer Software "on premise" oder auch Cloud Lösungen.

– den Qualifikationsnachweisen der für die einzelnen Arbeiten vorgesehenen Mitarbeiter; ggf.  können mehrere Mitarbeiter angegeben werden, zwischen denen Sie später auswählen kön nen; 

– Informationen über Ihr Unternehmen und Referenzen über vergleichbare Projekte. Dies gilt  auch für Unterauftragnehmer, die am Auftrag beteiligt werden sollen; 

– den Antworten auf den Fragenkatalog; 

– der Stellungnahme zu den von uns gewünschten Vertragsbedingungen gemäß dem als Anla ge1 beigefügten Vertragsentwurf; 

– einer Anbieterdarstellung; 

– dem Anschreiben, das folgenden Text enthalten soll: 

‚Hiermit werden die im beigefügten Angebot aufgeführten Leistungen angeboten. Diese decken alle Anforderungen der Aufgabenstellung gemäß Pflichtenheft ab, soweit nicht im Lösungsvorschlag ausdrücklich Ausnahmen aufgeführt sind. […] Wir akzeptieren auch die Vertragsbedingungen, soweit im Folgenden nicht Vorbehalte aufgeführt sind, nämlich:  An dieses Angebot halten wir uns bis zum Ende der vorgesehenen Bindungsfrist,  also bis zum DATUM gebunden.’ 

    1. Angebote, die folgende Anforderungen nicht einhalten, werden nicht berücksichtigt: ... 
    2. Wir bitten Sie, diese Aufforderung auf Vollständigkeit zu überprüfen und uns unverzüglich darauf  hinzuweisen, wenn die Unterlagen Unklarheiten oder Widersprüche enthalten oder wenn Sie Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung haben. 
    3. Mit Ihrem Angebot verpflichten Sie sich, dieses nach seiner Vorlage in unserem Hause an einem  Tag zu präsentieren, und zwar getrennt für die Geschäftsleitung und für die IT-Abteilung. Wenn Ihr Angebot in die Endauswahl kommt, verpflichten Sie sich, ... (Testinstallation, Projektleiterbesprechungen, Angebot fortschreiben, etc.);  
    4. Wir werden die Auswahl insb. nach folgenden Kriterien treffen: ... [K.O.-Kriterien sind mit * gekennzeichnet.] 
    5. Ggf. weitere Punkte“ 

Äußerst wichtig ist, dass die Anbieter ihre Aufwandsschätzung detailliert darlegen. Das können sie  nur, wenn eine entsprechende Liste mit Leistungspositionen in den Leistungsschein aufgenommen  wird. So kann der Anwender anhand der Aufwandsschätzung insb. auch überprüfen, ob der Anbieter  die Aufgabenstellung ähnlich wie der Anwender einschätzt und wie der Anbieter die einzelnen Teilleistungen voneinander abgrenzt und gewichtet. Das soll die Entscheidung nicht herbeiführen, erleichtert  aber die Entscheidungsfindung und erhöht ihre Nachvollziehbarkeit. 

 

Vertragliche Regelungen

 

Den Vertrag als Werkvertrag definieren

Bei Einkauf von Software auf der Grundlage von Standardsoftware unterliegen regelmäßig einzelne  Leistungen dem Werkvertragsrecht, andere dem Kaufvertragsrecht bzw. Werklieferungsvertragsrecht.  Das Werkvertragsrecht bietet dem Anwender deutlich mehr Vorteile rechtlicher Art. Es ist auch der  geeignete Vertragstyp, weil es dem Anwender auf den Gesamterfolg: Lieferung, Installation und Ein 

führung einer abnahmereifen Software einschließlich aller dazugehörigen Leistungen ankommt. Deshalb soll die Geltung von Werkvertragsrecht insgesamt vereinbart werden: 

„Dieser Vertrag unterliegt insgesamt dem Werkvertragsrecht.“ 

 

Absicherungen der Leistung

Die Vorgaben für den Lieferanten müssen möglichst klar und damit überprüfbar sein. Beispielsweise  will der Anwender beim Leistungsverhalten keine übermäßig langen Antwortzeiten hinnehmen müssen: 

  • „Die Leistung der Software ist so bemessen, dass bei X aktiven Dialogteilnehmern in 95  % aller Fälle eine Antwortzeit für einfache Verarbeitungsschritte von maximal 2-3 Sekunden erreicht wird.“ 
  • Da ohne vertragliche Regelung rechtlich nicht sicher ist, ob das dem Software-Beschaffungsvertrag  zugrundeliegende Standardprogramm alle branchenüblichen Funktionen als gewöhnlichen Gebrauch  beinhalten muss, empfiehlt es sich, das abzusichern: 
  • „Alle für den Einsatz bei ANWENDER und/oder in ANWENDERBRANCHE üblichen Programmfunktionen sind vorhanden.“ 
  • Schließlich kann der Anwender den Vertrag für sich widerruflich abschließen: 
  • „ANWENDER hat ein Widerrufsrecht bis DATUM. Es wird erst einmal eine Basiskonfiguration installiert und die Einsatzvorbereitung soweit durchgeführt, dass ANWENDER entscheiden kann, ob er das Widerrufsrecht ausüben will. Übt ANWENDER das Widerrufsrecht aus, zahlt er die bis dahin erbrachten Unterstützungsleistungen. Außerdem behält  er SYSTEMSOFTWAREKOMPONENTEN / ANWENDUNGSSOFTWAREKOMPONENTEN und bezahlt diese Leistungen.“

Verfügbarkeit von Mitarbeitern

  • Viele Projekte geraten in die Schieflage, weil Mitarbeiter und/oder Projektleiter des Lieferanten ausgetauscht werden. Dem kann man teilweise einen Riegel vorschieben, indem ein Termin für die Abnahme abgesichert durch Vertragsstrafe vereinbart wird. Darüber hinaus will der Anwender aber auch  regeln, dass der Lieferant seine Schlüssel-Mitarbeiter nicht einfach austauschen darf: 
  • „Der Projektleiter und die weiteren namentlich benannten Berater des Lieferanten dürfen  nicht gegen andere Mitarbeiter ausgetauscht werden, solange diese dem Lieferanten in  ihrer bisherigen Funktion zur Verfügung stehen. Tauscht der Lieferant andere Mitarbeiter  aus, trägt er die Einarbeitungskosten.“  

Vertragsstrafen für Verzug

  • Häufig halten Lieferanten die vereinbarten Termine nicht ein. Viele Softwarehäuser bieten von sich  aus für diesen Fall Zahlung einer Vertragsstrafe an. Ist dem nicht so, sollte der Anwender auf jeden  Fall eine Vertragsstrafe-Regelung vorsehen, weil der Verzugsschaden, den man als Anwender erleidet, oft nur schwer zu bestimmen ist: 
  • „Kommt der Lieferant in Verzug, kann ANWENDER für jede angefangene Woche Verzug  eine Vertragsstrafe von 1% des Wertes derjenigen Leistungen verlangen, die nicht  zweckdienlich genutzt werden können, höchstens jedoch _% des Auftragswerts.“ 

Die Abnahme vorsehen

  • Auch wenn Werkvertragsrecht Anwendung findet, ist es für den Anwender äußerst wichtig, eine Ge samt-Abnahme für alle Leistungen vorzusehen. Denn erst mit erfolgter Abnahme wird der Vergütungsanspruch des Lieferanten fällig, dreht sich die Beweislast um und beginnt die Verjährungsfrist für  Gewährleistungsansprüche zu laufen. Daher hat der Anwender ein Interesse daran, die Abnahme  möglichst weit hinaus zu schieben und vorher möglichst alle Leistungen einschließlich ihres Zusamenwirkens überprüfen zu können. Mindestanforderung muss daher sein, dass der Lieferant die Betriebsbereitschaft des IT-Anwendungssystems nach dessen Installation vorführt und dass der Anwender sodann die erfolgreiche Vorführung bestätigt. Der Anwender soll auch eine Regelung verlangen,  dass eine Abnahmeprüfung mit von ihm aufbereiteten Testfällen, insbesondere auch mit seltenen Fällen, durchgeführt wird, damit er die Anwendungsbreite des Systems überprüfen kann.

Gewährleistung nicht nach Gesetz

  • Softwarehäuser beseitigen Fehler in Programmen häufig und gerne erst im Rahmen der Lieferung  einer weiterentwickelten Version im Rahmen der Pflege. Das gilt auch, wenn der Software Beschaffungsvertrag, wie es regelmäßig der Fall ist, auf Standardleistungen des Lieferanten aufsetzt.  Der Anwender will daher vereinbaren, dass Fehlerbeseitigung unverzüglich geschuldet ist, am Besten  abgesichert durch Service Level Agreements mit Vertragsstrafe-Verpflichtungen. Zudem soll der Lieferant sich im Vertrag dazu verpflichten, Umgehungslösungen zu schaffen, damit die Nutzungsbeeinträchtigung weitgehend entschärft wird: 
  • „Der Lieferant wird Fehler in der Software, die die Benutzung des Gesamtsystems oder  eines Teils davon ausschließen oder erheblich erschweren, unverzüglich beseitigen. Soweit erforderlich, wird er unverzüglich eine Umgehungsmaßnahme erarbeiten. Fehler, die eine Benutzung zwar beeinträchtigen, aber bis zur Lieferung der nächsten Version hingenommen werden können, brauchen erst in der Lieferung einer nächsten Version beseitigt  zu werden. Der Lieferant wird auch für solche Fehler in angemessener Frist eine Umgehungslösung erarbeiten und ANWENDER übermitteln.“ 
  • Die Gewährleistungsfrist (das Gesetz nennt diese seit einigen Jahren Verjährungsfrist für Haftung von  Mängeln) soll mindestens die gesetzliche Gewährleistungsfrist betragen, also 24 Monate, auch da die  Anbieterseite doch immer betont, dass Softwarefehler nicht auszuschließen seien. Außerdem will der  Anwender den Beginn der Gewährleistungsfrist zeitlich möglichst weit nach hinten verschieben: 
  • „Die Verjährungsfrist für die Haftung für Mängel beträgt 24 Monate. Sie beginnt einheitlich  für alle Leistungen mit der letzten Teillieferung.“

Preisabdeckungsklausel

  • Häufig ist entweder das Angebot eines Lieferanten nicht vollständig, sodass darüber hinaus noch  Leistungen erforderlich sind. Oder der Lieferant führt Leistungen im Vertrag auf, über deren Vergü tungspflicht keine Klarheit besteht. Es gibt auch den Fall, dass Leistungen erforderlich sind, die der  Lieferant nicht eindeutig benannt hat im Angebot, so dass der Anwender das zum Zeitpunkt des Ver tragsabschlusses nicht weiß. Deshalb soll der Anwender immer eine Preisabdeckungsklausel vorse hen: 
  • „Die vereinbarte Vergütung für das Gesamtsystem deckt alle Leistungen ab, die für die  Inbetriebnahme des schlüsselfertigen Systems erforderlich sind, soweit im Vertrag nicht  ausdrücklich Ausnahmen genannt sind.“

Späte Zahlungen vereinbaren

  • Kasse macht sinnlich. Vor Zahlungen vor Abnahme ist deshalb generell zu warnen, zumal einige kleinere Software-Lieferanten auch häufig von Insolvenz bedroht sind. Anzahlungen sollten immer durch  Bankbürgschaften mit Zahlung auf erste Anforderung abgesichert werden. Im Übrigen empfiehlt es  sich für den Anwender, sich nicht zu Zahlungen von Teilen der Leistungen zu verpflichten, sondern  zumindest sinnvolle Teilleistungen zu definieren, die dann erst nach jeweils vollständiger Erbringung  und (Teil-)Abnahme durch den Software-Lieferanten bezahlt werden müssen. Für die Software gilt:  Soll diese nach Installation gezahlt werden, ist deren Funktionsfähigkeit vorab vorzuführen. 

Pflegegarantie

  • Der Anwender gibt viel Geld für die Software aus und will damit lange Zeit arbeiten. Also benötigt er eine Pflegegarantie. Sinnvollerweise gehören Absicherungen hinsichtlich der Pflege und Wartung  bereits in den Überlassungsvertrag, wenn die Verträge über Pflege und Wartung zeitlich zusammen  mit dem Überlassungsvertrag abgeschlossen werden. Das liegt insbesondere deshalb für die Anwendungssoftware nahe, da die Pflegeleistungen ab Installation bzw. Abnahme bereits erforderlich sind  und weil diese Leistungen weit über die gesetzliche Gewährleistung, die nur Fehlerbeseitigung beinhaltet, hinausgehen. Es wird dringend davor gewarnt, dass der Anwender das Thema Pflege unterschätzt. Es gibt mindestens drei (3) Gründe dafür, Wartung und Pflege wenigstens in den Grundzügen  bereits bei Abschluss des Software-Beschaffungsvertrags zu regeln:
  • Erstens ist die Verhandlungsmacht des Anwenders zu diesem Zeitpunkt wesentlich  größer als später. 
  • Zweitens ist unklar, inwieweit der Lieferant zu diesen Leistungen überhaupt  verpflichtet ist, wenn das nicht im Vertrag geregelt wird.
  • Drittens zeigt die Praxis schon bei Aufforderungen zur Angebotsabgabe, dass Antworten zu diesem Thema häufig dürftig und ungenau sind. Insbesondere lässt  die Lieferantenseite gerne unter den Tisch fallen, wie wenig sie zu schneller Fehlerbeseitigung bereit ist. Wer hier vernünftige und gute Angaben macht, hat damit  erhebliche Vorteile bei der Bewertung der Angebote.

Individualprogrammierung und Festpreis

  • Liegt umfangreiche Individualprogrammierung vor, geht es im Ergebnis regelmäßig um dieselben  Probleme: Die Individualprogrammierung kostet mehr als angenommen, kommt später als angenom men und ist schlechter als angenommen. Nicht immer ist daran, wie Anwender meinen, allein der  Lieferant schuld. Die Schwierigkeiten lassen sich auch nicht hundertprozentig durch vertragliche Regelungen beseitigen, weil es dabei um tatsächliche Probleme geht. Was nützt die Zahlung einer Vertragsstrafe, wenn die vereinbarte Leistung dennoch nicht erbracht wird? – Der Anwender kann einen  wesentlichen Beitrag dafür leisten, dass die Programmierung hinsichtlich Preis, Zeitpunkt und Funktionalität auch tatsächlich seinen Anforderungen entspricht, indem er tatsächlich auch laufend mitwirkt  und den Stand des Projekts tatsächlich kontrolliert. Darüber hinaus wird empfohlen, dass der Anwender von vornherein etwas seine Erwartungen senkt und stattdessen alles tut, was zu einer Verbesserung der Programmierleistungen des Lieferanten führen kann. Bei Individualprogrammierung ist es wie  bei der Ehe: Die Scheidung wird teuer. 
  • Der Preis für Individualprogrammierung ist aus verschiedenen Gründen kaum oder nur sehr schwer  kalkulierbar. Gleichwohl zeigt die Praxis, dass Anwender weit überwiegend auf Festpreisvereinbarungen bestehen. Sieht der Anwender dann im Laufe des Projekts, was durch den Einsatz von Software  alles möglich ist, unterstützt das seine Vorstellungskraft und beflügelt seine Erwartungshaltung. Das  führt oft dazu, dass der Anwender bei der Abnahme des Programmsystems etwas zum Maßstab  macht, was ursprünglich gar nicht vereinbart war. Selbstverständlich soll der Lieferant diesen Maßstab  dann aber auch noch innerhalb des Festpreises liefern! – Auch hier hilft letztlich nur gutes Kontrollmanagement und eine vernünftige realitätskonforme Erwartungshaltung: Die vertraglichen Vereinbarungen müssen hinsichtlich Preis, Terminen und ggf. auch Auswirkungen auf das Leistungsverhalten  zeitnah fortgeschrieben werden, insb. wenn der Anwender mehr an Leistungen wünscht als ursprünglich vereinbart worden war. Anderenfalls gerät das Projekt nahezu zwingend in eine Schieflage, und  man neigt dann als Anwender dazu, unberechtigte Forderungen zu stellen. Das nützt letztlich weder  dem Anwender, der die Programmierung einschließlich der Änderungswünsche ja haben möchte,  noch dem Lieferanten, der natürlich Zusatzleistungen nur gegen zusätzliche weitere Vergütung realisieren will. Was kann man konkret tun?  
  • Erstens sollte man sich vergegenwärtigen, dass der Anwender auch dann, wenn das Projektmanage ment weitgehend an den Lieferanten übertragen worden ist, sich weiterhin regelmäßig um das Projekt  kümmern sollte: Das Gesamtmanagement, das Management seiner Mitwirkungspflichten und die Kontrolle des Auftragnehmers obliegen dem Anwender nach wie vor. Im Übrigen gilt: Wenn schon ein  Festpreis, dann soll er wenigstens richtig gebildet werden. Zur Kalkulation bei Individualprogrammierung sollte sich der Anwender verdeutlichen, dass ein vernünftiger Lieferant erhebliche Zuschläge auf den wahrscheinlichen Aufwand kalkulieren müsste, dass er das aber nicht oder nicht ausreichend tut,  weil die Konkurrenz es auch nicht tut. Im Endeffekt wird das Projekt bei einem Festpreis aber deshalb  bei allen Lieferanten um eine bestimmte Teilmenge der Zuschläge teurer – oder der Anwender muss  Abstriche in der Qualität machen: 
  • Basis: Wahrscheinlicher Aufwand auf der Basis der Vorgaben des Auftraggebers bei ordentlicher Projektdurchführung (= kalkulierter Aufwand x Sicherheitsfaktor),
  • einschließlich Aufwand für Gewährleistung 100% Zuschläge: 

1. 

Vertragspartner haben bisher nicht zusammengearbeitet 

bis 10%

2. 

Fachabteilung des Anwenders hat wenig Kenntnis über IT Einsatz

bis 10%

3. 

Der Anwender muss und will noch Punkte detaillieren; wenn der Anwender eine Detaillierung entgegen dem Auftragnehmer nicht mehr für nötig hält

bis 10%; 

jedoch 10 bis  

20%

4. 

Der Lieferant möchte bei kleineren Änderungs- /Ergänzungswünschen des Anwenders keine Nachforderungen  stellen; wenn der Anwender selbst nicht einmal Detaillierungen für nötig hält

bis 10%; 

jedoch 10 bis  

20%

5. 

Der Anwender muss mitwirken (Daten stellen, Testzeiten stellen) 

bis 10%

6. 

Das Softwarehaus hat keine/wenige Kenntnisse auf dem spezifi schen Sach- bzw. Fachgebiet des Anwenders

bis 20%

7. 

Akzeptanz des Projekts bei den (auch un-)beteiligten Funktionsträgern des Anwenders 

bis 10%

 

Zweitens soll der Anwender unbedingt seine Anforderungen an die Leistungen und deren Qualität  vernünftig definieren, damit der Anbieter den Aufwand dafür auch vernünftig kalkulieren kann. Das soll auch schon deshalb geschehen, damit der Anwender die Angebote miteinander vergleichen kann. Zur  Gewichtung der Qualität können u.a. die folgenden Faktoren angesetzt werden: Zuverlässigkeitsgrad,  Sicherheit, Effizienz in Bezug auf den Zeitverbrauch, Effizienz in Bezug auf den Speicherverbrauch,  Benutzerfreundlichkeit, Ausbaufähigkeit und Übertragbarkeit.

Drittens wird, noch einmal, und auch wenn es selbstverständlich klingt, betont: Der Anwender soll sich  v.a. den richtigen Auftragnehmer aussuchen. Dazu gehört auch, dass man Referenzen einholt oder  andere Software begutachtet, die dieser Auftragnehmer erstellt hat. Häufig empfiehlt sich für beide  Seiten auch, erst einmal mit einem kleinen Auftrag anzufangen, um sich kennen zu lernen.

 

Wenn Sie weitergehende Informationen zu dem Thema suchen, finden Sie diese in dem Buch Er ben/Günther, Beschaffung von IT-Leistungen, Vertragsgestaltung für Anwender, SpringerGabler, Heidelberg 2018