ERP-Pflichtenheft – was sind die Inhalte? Geschäftsprozesse und Prozessanforderungen sind dafür die Grundlagen. Diese zu analysieren sind wichtige Aufgaben im Rahmen einer unabhängigen ERP-Auswahl. Das Durchführen von funktionsübergreifenden Workshops zum Abgleich der Anforderungen an eine Software ist eine der entscheidenden Aktivitäten um ERP Systemanforderungen zu definieren. Ein ERP-Lastenheft und ein darauf aufbauendes ERP-Pflichtenheft sind die sinnvollsten und effizientesten Dokumentationsformen, die vorhandenen Anforderungen zu dokumentieren.
Inhaltsverzeichnis
- ERP Pflichtenheft zur ERP Softwareauswahl – eine Pflicht und Notwendigkeit oder unnötiger Aufwand?
- Zwei unterschiedliche Interessen treffen im ERP-Pflichtenheft aufeinander
- Ist für ein ERP-Pflichtenheft die Unterscheidung zwischen Cloud oder on Premise wichtig?
- Was sind die Vorteile wenn Sie ein ERP-Pflichtenheft nutzen?
- Sicherstellung einer funktionierenden Supply Chain durch Definitionen und Anforderungen im ERP-Pflichtenheft
- Die Anforderungen an den ERP-Softwarelieferanten steigen
- Fazit – Ist ein ERP Pflichtenheft sinnvoll oder nicht?
ERP Pflichtenheft zur ERP Softwareauswahl – eine Pflicht und Notwendigkeit oder unnötiger Aufwand?
Im ERP-Lastenheft werden hauptsächlich die Prozesse beschrieben, die im Rahmen einer neuen ERP-Einführung gefordert werden. Das ERP-Lastenheft enthält bestehende, notwendige Anforderungen, als auch neue, zu unterstützende Prozesse.
Das ERP-Pflichtenheft ist eine Qualitätsstufe mehr. Das Lastenheft als Dokumentation wurde um die Möglichkeiten der in Frage kommenden Software, deren eventuellen ERP-Workflows und Lösungen ergänzt, die der ERP-Anbieter mit seinem ERP-System zu liefern in der Lage ist. In vielen Fällen können vom ERP-Anbieter auch Lösungsvorschläge eingebracht werden, die eventuell in der Prozesslandschaft des Kunden Ihren Einsatz finden. Wo kann dies vorkommen? Meist dann, wenn der Softwareanbieter in seiner ERP-Software einen Lösungsvorschlag darstellen kann, mit dem der Kunde seine Anforderungen ohne Individualprogrammierung lösen kann.
ERP Pflichtenheft – vor dieser Frage stehen im Prinzip alle Unternehmer, Projektleiter und IT Verantwortliche, die sich mit der Erneuerung von ERP Software oder anderen IT Systemen auseinandersetzen müssen. Viele unterschiedliche Begriffe werden zum Teil stellvertretend genannt:
- ERP-Lastenheft,
- ERP-Anforderungskatalog,
- ERP-Aufgabenbeschreibung,
- ERP-Ausschreibungsunterlage
- und natürlich das ERP-Pflichtenheft selbst.
Was ist eigentlich die eigentliche Aufgabe des Pflichtenhefts? (wir verwenden diesen Begriff in diesem Text jetzt stellvertretend für alle anderen Bezeichnungen).
Zwei unterschiedliche Interessen treffen im ERP-Pflichtenheft aufeinander
Aus Sicht des ERP-Systemanbieters (Software-Lieferanten) wird beschrieben was zu leisten ist. Aus Sicht der Auftraggebers – also unseres Kunden/des Investors – wird beschrieben, was er von einer neuen ERP -Software erwartet. Damit ist leicht erkennbar, dass es – allein aufgrund der Sichtweisen oder der Interessenlagen – unterschiedliche Vorstellungen geben kann,
- was geliefert,
- was erwartet oder
- was als Softwareleistung
abgenommen werden sollte.
Ist für ein ERP-Pflichtenheft die Unterscheidung zwischen Cloud oder on Premise wichtig?
Zunächst ein kleiner Hinweis zur rechtlichen Situation: was sagen die gesetzlichen Regelungen zum Kauf einer ERP-Software oder Miete einer ERP-Software oder zur Nutzung einer ERP Cloud Lösung?
Entscheidend für für Unternehmen, die ERP-Systeme auswählen müssen, ist zunächst der Unterschied zwischen: Dienstleistungsvertrag nach BGB §611 und Werkvertrag nach BGB §631.
Ein weiterer Punkt, der bei ERP-Projekten wichtig ist, hängt mit der Einführungsmethodik zusammen. Gerne wird bei Verkaufsveranstaltungen oder in Marketinginformationen der Begriff des agilen Projektmanagements von den Softwarelieferanten benutzt. Klingt zunächst gut. Klingt modern. Birgt aber für den Käufer und Nutzer auch Gefahren. Ab jetzt wird es für Unternehmen, die eine ERP-Software suchen, spannend, da es jetzt auf die Betrachtung der vertraglichen Pflichten ankommt. Bei einem agilen Projektmanagement wird das genaue Ziel während des Projektes definiert. Alle Teilnehmer des ERP-Projektes haben eine grosse Toleranz zur Festlegung bezüglich Umfang, Zeit, Kosten und Qualität des IT-Projektes. Der charakteristische Ansatz ist die Fokussierung auf ein Werk, bei dem die Zustimmung der Anwender den Schwerpunkt darstellt. Wenn Sie an weiterführenden Informationen interessiert sind, lesen Sie unseren Artikel "4 Vor- und Nachteile des ERP-Cloud Computing, die Sie kennen müssen")
Da es bisher noch keine wirkliche Standardisierung dafür gibt, was unter agilem Projektmanagement oder agiler ERP-Einführung verstanden werden kann, wird dieser Begriff auch gerne dafür benutzt um eine neue Denkweise oder eine neue Art des Projektmanagements darzustellen. Sie soll deutlich machen, dass sie sich in der Agilität und in der Dynamik deutlich von Projektmethoden wie Prince oder Wasserfall Methodiken unterscheidet. Aber: Es ist im Vertragsmanagement schwer fassbar, bis sogar unmöglich eine ERP-Einführung mit den Ideen des Werkvertrags zu realisieren, weil das geschuldete Werk sich erst im Laufe des Projektmanagement definiert. Dieses Risiko muss dem Käufer klar sein. Wozu wollen wir Sie dabei sensibilisieren: Im Fall des Dienstleistungsvertrags werden Sie eine Software kaufen oder nutzen, bei denen Ihnen das Softwarehaus - soweit es möglich ist - zusichert, dass die Software selbst ohne Fehler ihren Dienst verrichtet. Dabei spielt es im Augenblick noch keine Rolle, ob Sie die ERP-Software installieren im Rechenzentrum betreiben oder in einer Cloud als Software as a Service (SaaS) nutzen.
Im Rahmen eines Werkvertrages sichert Ihnen das Softwarehaus Eigenschaften zu, die Sie als potentieller Kunde und ERP-Nutzer vom System verlangen. Meist sind dies spezielle Abläufe und Prozesse in Ihrem Unternehmen. Workflows und Genehmigungsverfahren zählen auch zu den individuellen Anforderungen, die Unternehmen an ERP-Software stellen.
Zusammengefasst noch einmal die Eckpunkte:
Der Softwarelieferant will in der Regel seine Software verkaufen.
Er wird zusichern, dass sie – soweit möglich – fehlerfrei läuft, Qualitätsstandards an die Bedienung und Oberfläche einhält und Schnittstellen bedienen kann. Dies klingt im ersten Moment gut. Ist es aber das, was Unternehmen wirklich suchen wenn Sie Software auswählen, ERP Systeme erneuern oder ablösen? Eigentlich wollen Sie als Unternehmen, dass Ihre Prozesse unterstützt und verbessert werden. Dies soll mit Softwareunterstützung erfolgen.
Wir stellen fest, dass in allen unseren ERP-Beratungen – und inzwischen sind es mehr als 400 ERP Auswahlverfahren -, dies nur ein kleiner Aspekt ist, der selbstverständlich vorausgesetzt wird. Unternehmen wollen in unterschiedlicher Ausprägung Prozesse verbessern, Features und Funktionen erhalten, die sie bisher in alten Systemen so nicht hatten. Sie wollen Schnittstellen reduzieren und wenn möglich, auch alles gerne aus „einem Guss“ erhalten.
Die Fortschritte in der IT-Technik, die Innovationsgeschwindigkeit und die Möglichkeiten moderner Hardware sind in den letzten Jahren gewaltig angestiegen. Wo es vor ein paar Jahren undenkbar war, auf Rechnern und Lösungen in einer Cloud zu arbeiten – heute Standard. Anforderungen an Mobilität und Zugriff auf ERP-Systeme 24/7 heute Standard. Die leichte Integration und kurze Einarbeitungszeiten von neuen Mitarbeitern bei ERP-Systemen – heute Standard Hybride Lösungen, – Speicherungen in der Cloud und arbeiten in eigenen gehosteten Lösungen (on premise) – heute Standard. Dies gilt für eine ganze Reihe von neuen Business Solutions und Prozessunterstützungen moderner IT-Architekturen.
Bei aller Funktionalität, Technik und schönen Management-Cockpits darf nicht vergessen werden, der einzige Grund für ein neues ERP-System ist:
Vor allem aber wollen unsere Kunden die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und die Verbesserung der Leistung zum Kunden.
Dazu gehört auch der Umbau oder die Neugestaltung von Geschäftsprozessen, die Reorganisation von Abläufen, die Automatisierung von wiederkehrenden Prozessen und vieles mehr.
Alle diese Anforderungen, Prozessverbesserungen und Ablaufoptimierungen müssen aber beschrieben werden. Am sinnvollsten als Geschäftsprozess. Als zweifelsfreien Ablauf in einer verständlichen Sprache und Notation. In der Regel ist die Vorstufe des ERP-Pflichtenheftes, ein ERP-Lastenheft. Dieses wird dann gemeinsam mit einem Softwareanbieter zu einem Pflichtenheft ausgebaut. Damit wird das Pflichtenheft zu einem Vertragsbestandteil.
Was sind die Vorteile wenn Sie ein ERP-Pflichtenheft nutzen?
Unternehmen erhalten dadurch die Möglichkeit, den veränderten Geschäftsprozess als Sollvorgabe im Pflichtenheft als Anforderung zu definieren. Die Prozessunterstützung erfolgt durch die neue ERP-Software. Damit sind wir bei den Möglichkeiten, die ein Werkvertrag nach BGB §631 bietet, der eine Erfüllung einer Leistung einfordert. Eine Erfüllung eines neuen Geschäftsprozesses, der unseren Kunden hilft, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dies kann durch Effizienzgewinne, durch eine Bestandssenkungen und Erhöhung der Warenumschlagshäufigkeit, oder durch Prozessbeschleunigung geschehen.
Sicherstellung einer funktionierenden Supply Chain durch Definitionen und Anforderungen im ERP-Pflichtenheft
Im Verlauf der Covid Pandemie hat sich herausgestellt, dass ein entscheidender Wettbewerbsvorteil auch Warenverfügbarkeit sein kann. Eine Warenverfügbarkeit setzt eine intakte Supply Chain voraus. Dies sind Elemente und Anforderungen, die in ERP-Pflichtenheften beschrieben werden müssen. Denn sie unterscheiden sich deutlich von der Realisierung der Effizienzgewinne durch Reduktion von Warenbeständen, da sie einen anderen Ansatz verfolgen.
Sei es durch die Verbesserung der Supply Chain oder durch die Fähigkeit neue Prozesse zu generieren um die Kundenanforderungen durch ein durchgängiges ERP-System besser zu erfüllen.
Die Anforderungen an den ERP-Softwarelieferanten steigen
Diese Leistung, dies ERP-Anforderungen sind für ein Softwarehaus natürlich viel schwieriger auszuführen weil die Prozessleistung definiert wurden. Gleichzeitig ist sie bindender als nur der Auftrag eine lauffähige ERP-Software abzuliefern. Dafür werden wir von den Softwarelieferanten auch nicht unbedingt geliebt. Aber unsere Kunden können sicher sein, dass der ROI also der „Return Ihrer Investition“ berechenbar und erreichbar ist. Dieses Wissen um die besten Prozesse, Workflows, Auswahl und Projektstrategien zur Einführung einer ERP, MDM oder anderer Software ist in der Regel in Unternehmen nicht immer vorhanden. Die schnelle Veränderungen von Kundenanforderungen erfordern professionelles Wissen über Fähigkeiten, diese in eine Softwareauswahl abzubilden. Ein externer Consultant muss die Anforderungen der Branche kennen und führen können. Schon alleine aus der kleinen Aufzählung dieser Punkte wird deutlich, dass die Softwareauswahl per Excel-Liste, bei der nur Funktionen von ERP-Systemen abgefragt werden, eine veraltete Methode ist. Unternehmen, die sich mit Ihrer zukünftigen Wettbewerbsstärke und den Kundenprozessen auseinandersetzen, kann dies keine Option sein und sie darf es auch nicht sein, weil sie nur bestehendes zementiert.
- Es gibt noch genügend Berater, die diese Vergangenheitswerkzeuge benutzen. Informieren Sie sich über die Vorgehensweise und lassen Sie sich von Excel-Listen mit tausenden Fragen nicht beeindrucken.
- Die Zukunft liegt in der Umsetzung und Einführung von Geschäftsprozessen. Sie liegt auch nicht in eine Potentialanalyse, sondern in der Realisierung von Kundenprozessen.
- Eine Ist-Aufnahme von Anforderungen mit Excel Listen ist ein Überbleibsel aus dem letzten Jahrtausend. Gehen Sie einfach davon aus, dass die ERP-Branchenpakete inzwischen alle Funktionen mitbringen. Es kommt auf die Prozessunterstützung an.
Wie können Sie die Leistungen des Softwarepartners messen?
Bei jeder Investition in ein Maschine, Anlage oder sogar für einen Bürostuhl haben Unternehmen meist klare Definitionen was sie bestellen und was geliefert werden soll. Komplexe Systeme wie ein – das gesamte Unternehmen – betreffende Software sind in der Bewertung was geliefert wurde schwer zu fassen. Eine ERP-Software wird beim Softwarehaus oder beim ERP-Softwarepartner bestellt. Grundlagen sind Beschreibungen was die ERP-Software oder spezieller die ERP-Branchenlösung grundsätzlich alles leisten kann. Grundlage sind oft auch Verkaufs-und Demopräsentationen als auch rudimentäre Beschreibungen der Anforderungen an die Software.
Ist es aber nicht so, dass Sie eine Software deswegen kaufen, weil sie einen Wettbewerbsvorteil realisieren wollen? Und weil Sie die Wertschöpfungsprozesse zu Ihren Kunden optimieren, verschlanken, verbessern und kostengünstiger gestalten wollen? Wenn dies so ist, dann ist es eine absolute Notwendigkeit, eine Prozessbeschreibung (zunächst das ERP-Lastenheft und nach Evaluierung mit Hinweisen des ERP-Softwarehauses angereicherte Dokument, das ERP-Lastenheft) zu erstellen. Damit werden dezidiert Ihre Geschäftsprozess beschrieben, die durch die ERP-Software unterstützt werden. Die Schnittstellen, die Eingaben und die Ergebnisdarstellung, sowie das Bedienerkonzept sind Muss-Kriterien eines ERP-Pflichtenheftes. Nur mit diesem ERP-Pflichtenheft können Sie die Unterstützungsleistung der Software beschreiben, das ERP-Pflichtenheft wird Vertragsbestandteil und damit haben Sie auch ein Dokument, welches Sie für die Abnahme des ERP-Systems und als Vorlage für das Testmanagement nutzen können.
Fazit – Ist ein ERP Pflichtenheft sinnvoll oder nicht?
- Ein Pflichtenheft welches die Geschäftsprozesse beschreibt, die Schnittstellen definiert und Funktionen einfordert ist umfangreich, ist aber wertvoller als je zuvor.
- Sie werden von Ihrem Softwarelieferanten nur das erhalten, was in einem Pflichtenheft beschrieben ist.
- Das Pflichtenheft ist ein wichtiges Grundlagendokument auf dem Sie Ihr Testszenario aufbauen können, um die ERP-Software bzw. jede Softwarelösung zu testen und abzunehmen.